

Dass der Aufschwung da war, hab ich nur an den entsprechenden
Beteuerungen meiner Volksvertreter gemerkt. Dass die Rezession da ist, merke ich, wenn mir ein Adminkollege erzählt, dass die Gehälter in seinem Betrieb gerade "wegen der Krise" und "aufgrund einer 'Schieflage' bei den Investoren" pauschal um ein paar Prozent gekürzt wurden. Runter geht's halt immer schneller als rauf. Außer bei den Preisen.
Nachtrag, 16. November 2008: Gestern wurde in einem Betrieb in meinem privaten Umfeld im Rahmen einer "Umstrukturierung" eine ganze Gruppe von Angestellten (acht Personen) gefeuert ("mit sofortiger Wirkung vom Dienst freigestellt"), darunter Leute um die fünfzig, natürlich mit Familie, die seit zwanzig, dreißig Jahren bei dieser Firma arbeiten. Aufgrund der speziellen Natur des Unternehmens gibt es in NRW keinen zweiten Arbeitgeber, der diese Leute aufgrund ihrer Qualifikation einstellen wird. Einem eigentlich unkündbaren Mitarbeiter aus dieser Gruppe wurde angeboten, im Betrieb zu bleiben und künftig als Pförtner zu arbeiten. Die Stimmung im Betrieb, die schon seit Monaten streng monoton sinkt, ist ins Bodenlose abgerutscht. Der Unternehmer, der hier seine soziale Verantwortung auf diese besondere Weise wahrnimmt, ist übrigens — gerade um so viele Ecken, dass er jede Beteiligung abstreiten kann — unser selbst ernannter Arbeiterführer
Jürgen Rüttgers als Ministerpräsident von NRW.
Nachtrag, 20. November 2008: Die "Ruhr Nachrichten" schreiben dazu unter der Überschrift
"Vom Saalchef zum Aushilfs-Pförtner" (Link vermutlich nur zeitlich begrenzt gültig):
Die Angestellten fielen aus allen Wolken. Zumal man den 49 bis 62 Jahre alten Mitarbeitern, die teilweise schon seit der Unternehmensgründung vor über 30 Jahren dabei sind, die bittere Nachricht nicht gerade schonend beigebracht haben soll. Angeblich mussten die Betroffenen gleich ihre Schlüssel abgeben, ihre Spinde ausräumen und das Gebäude verlassen.
Lt. dem Artikel dementierte die Pressesprecherin des Casinos Hohensyburg, dass irgendwem gekündigt worden sei. "Sie sollten Änderungskündigungen erhalten — das bedeutet, dass ihnen andere Stellen angeboten werden." Dazu der Betriebsratsvorsitzende Albrecht Harmsen: "Die Rede war von einem Job als Aushilfs-Pförtner. Er ist fünf Betroffenen angeboten worden, zu zehn Prozent dessen, was sie vorher verdient haben." Auf die Behauptung, es ginge bei der Kündigung um die "Verschlankung von Hierarchien", zählt Harmsen die Neueinstellungen in der gleichen Hierarchieebene auf.
Da geht es wohl um eine ganz andere Art von Umstrukturierung, nämlich eine Neusortierung des Gehaltsgefüges: erst eröffnet man ein neues Casino nur wenige Kilometer vom etablierten Casino Hohensyburg entfernt und stellt dort ganz viele neue, billige Kräfte ein, natürlich nur mit befristeten Verträgen. Wenn dann im alten Casino logischerweise die Umsätze runtergehen, weil die Zocker der Region sich jetzt auf zwei Casinos verteilen, schickt man neues Führungspersonal ins alte Casino — eine Gruppe, die sich binnen kürzester Zeit den Spitznamen "die Stasi" erworben hat — und tauscht da auf die ein oder andere Weise jeden aus, der nach Jahrzehnten der "Mitarbeit" ein einigermaßen auskömmliches Gehalt erhält. Am Ende hat man zwei Casinos für den Preis von einem, jedenfalls was die Personalkosten angeht. Okay, das sind dann zwei Casinos, in denen die Atmosphäre für'n Arsch ist, weil eine eingeschüchterte, ängstliche Belegschaft schwerlich gute Laune ausstrahlen kann, und ein paar hundert Leute und ihre Familien liegen uns allen auf der Tasche, damit andere ihren Job billiger machen können. Das gesparte Geld kommt dann via WestSpiel vermutlich der
WestLB NRW.BANK und damit wieder dem Staat zugute. Nullsummenspiele auf Kosten von Menschen, nur damit irgendeine Excel-Tortengrafik schöner wird oder so. Ich raff es nicht.